Blog Arichv 2016 - von Andrea Schmölzer
Naturausflug ins Karwendelgebirge
Zwei kritische Teenager und ich brechen morgens am Isarhorn in Richtung Hochlandhütte auf. Mal sehen, wie die herbstliche Familienwanderung Philip (17) und Tommi (12) gefällt. Eine „chillige“ Hütte, Bachquerung, „Hirschen“ und kulinarisches Neuland liegen noch vor uns.
„Zwei Stunden 50“, liest Philip auf dem Schild im Tal. „Die 700 Höhenmeter schaffen wir doch bestimmt viel schneller“, meint mein Sohn. Er müsste es wissen. Seit er klein ist, sitzt er gern stundenlang vor Karten, studiert Höhenlinien und malt sich in Gedanken aus, wie welcher Berg wohl wirklich aussieht. Schon als vierjähriger Knirps wusste er vor uns, wo’s im Skigebiet lang geht. Nun marschiert er bei unserer Familienwanderung anfangs etwas gelangweilt mit seinem Bruder die flache Forststraße teils der Isar und teils der B2 entlang. Sie beginnen herumzualbern und spielten fangen.
Ausgangspunkt der Tour: Wanderparkplatz in Mittenwald. So finden Sie den Weg zum Wanderparkplatz Nord: Eine Anfahrtsbeschreibung
©Alpenwelt Karwendel | Andrea Schmölzer
Ein Paradies für „Schwammerlsucher“
Wir zweigen von der Forststraße ab, der Weg wird schmaler und steiler. Als Wanderweg Nr. 260 wendet er sich vom 200er nach Osten, lässt B2 und Isar rechts liegen. Mit jedem Schritt wird die Straße leiser, dafür das Bachrauschen lauter. Tommi und ich scannen wie immer den Wegesrand – wir sind leidenschaftliche Schwammerlsucher. Jede Menge Boviste, Reizker entdecken wir auf unserer Familienwanderung. Auf einmal hält mein Sohn an: „Mama, schau‘ mal, Habichtspilze!“ – Volltreffer, das sind unsere Lieblinge. Wenige kennen den schmackhaften Pilz, dessen Haut wirklich wie das Gefieder eines Habichts aussieht. „Erst am Rückweg“, sage ich. Wir markieren die Stelle mit einem Stock und prägen sie uns ein.
Hier zieht die Natur alle Register…
Beim nächsten Schild schaut Philip auf die Uhr: Wir sind wirklich deutlich schneller als die angegebene Gehzeit. Nun lichtet sich der Wald, der Gassellahnbach gluckert neben uns ins Tal. Tommi flitzt zwischen Bachufer und Weg hin und her, auch ich bin fasziniert von den ausgehöhlten Steinen, den kleinen Becken und Wasserfällen. Schließlich müssen wir durch. Der Weg führt geradewegs durch das (flache) Wasser. Natürlich nehmen die Jungs nicht die kleine Brücke ein paar Meter weiter, sondern balancieren von Stein zu Stein mitten durch. Ich hinterher, ein Heidenspaß unsere Familienwanderung!
Einzigartige „Karwendel-Blicke“ genießen
Wir wandern in T-Shirt und kurzer Hose und schwitzen auch ordentlich, doch ein bisschen Herbst liegt schon in der Luft. Der Weg verengt sich und zieht Serpentinen durch eine steilen Gras- und Waldhang. Die Flanken des Dammkars im Karwendel tauchen immer wieder hinter Nebelwabern auf. „Sieht ganz schön gespenstisch aus“, meint Philip. Stimmt. Sagen über Berggeister kommen mir in den Sinn. Noch weiter oben hören wir helle Glocken bimmeln. Ziegen? – Schafe! Ihnen begegnen wir später an der Hütte. Nach etwa eineinhalb Stunden sind wir auf der Oberen Kälberalm, „10 Minuten“ hat – vermutlich der Hüttenwirt – auf das Schild geschrieben. Die Jungs fangen an zu rennen. „Ich seh‘ die Hütte“, ruft der erste.
Die Hochlandhütte – das Ziel der Familienwanderung
Die ist eine Schau: Dunkles Holz, Blumen in den Fenstern, die Südterrasse mit Blick ins Dammkar und auf die Nördliche Karwendelkette. Noch sind kaum Leute da. Die Hüttenwirte Birgit und Stefan grüßen uns freundlich. Auch von Innen wirkt die Alpenvereinshütte auf 1630 Metern wie aus einem Heimatfilm: gemütliche Stube mit grünem Kachelofen, Pendeluhr, alte Fotos. Die Bettenlager im ersten Stock sind einfach, aber sehr einladend. Philip setze ich den Floh ins Ohr, doch mal auf einer Hütte Praktikum zu machen. Die Idee gefällt ihm, Hüttenwirtin Birgit ermuntert ihn, bei Interesse einfach eine Email zu schicken. Er strahlt.
Ausgangspunkt für viele Karwendel-Touren
Von der Hochlandhütte aus kann man den Wörner besteigen, ins Dammkar queren und von dort sogar auf die Karwendelspitzen wandern. Auch ins Soierngebirge kommt man von hier, über die Rehbergalm oder die Vereiner Alm. Oder man wandert auf den Gjaidsteig nach Tirol hinüber. Der Wanderweg soll etwas ausgesetzt sein und teilweise Seil versichert über steile Geröllfelder führen. „Für Trittsichere, Schwindelfreie ist der in fünfeinhalb Stunden gut machbar. Zurück dauert’s eine Stunde länger, weil’s fast immer bergauf geht“, meint Hüttenwirt Stefan. „Ein Klettergurt ist gerade bei Kindern sinnvoll, und einen Helm solltet Ihr auf jeden Fall tragen“, empfiehlt er. Wie immer bei der Tourenwahl spielten das Alter der Kinder und ihre alpine Erfahrung eine wichtige Rolle. Ich speichere den Steig für nächsten Sommer oder einen schönen Herbsttag ab. Die Hochlandhütte hat schließlich noch bis Mitte Oktober offen. Den Gjaidsteig nehmen übrigens auch die Schafe, die jedes Jahr zur Sommerfrische im Karwendel sind. Kurz darauf stehen einige bimmelnd vor der Hütte. Ungestüm drückt sich eines mit seinem dicken zotteligen Fell an uns, als wir es mit dem Handy fotografieren wollen.
Leckereien für müde Wanderer…
Doch jetzt haben die Jungs Hunger. „Hober“ lesen wir unter anderem auf der Speisekarte und stutzen. Wir begleiten Stefan zur Küchentür, wo er uns erklärt: „Das sind gekochte Kartoffel, die aufgehobelt, mit Mehl in der Pfanne knusprig gebraten und dann mit etwas Salz gewürzt werden.“ Ich liebe Kartoffeln in jeder Form und nehm‘ den „Hober“ mit Sauerkraut. Die Jungs wählen Speckknödelsuppe und Käsnudeln. Tja, und dann brauchen wir natürlich unbedingt einen Nachtisch. Die Auswahl der hausgemachten Kuchen ist für eine Hütte erstaunlich groß. Wir nehmen Nussecken, Apfel-Walnuss- und Kirschkuchen. Hmmm, alles sehr lecker! Beim Abschied hören wir von den Wirtsleuten, dass die meisten den Aufstieg zur Hochlandhütte in deutlich weniger Zeit schaffen, als auf den Schildern angegeben. Der Durchschnittswanderer brauche unter zwei Stunden hinauf. Aha, so wie wir.
Jetzt geht´s zurück ins Tal
Dann geht’s bergab. Und wie. Die Buben wandern nicht, sie rennen, genauer gesagt sie „hirschen“. So heißt der galoppartige Laufschritt bergab familienintern. Ich bin jetzt natürlich immer die letzte. „Hirschen“ habe ich früher auch geliebt, jetzt aber streiken meine Knie. Tommi und Philip sausen weiter bergab und bleiben nur stehen, um mich zu fragen, wie man mit Grashalmen pfeift. Am Anfang gelingt ihnen nur ein gequältes Prusten, dann sind es immer mehr Töne. Schließlich haben sie’s drauf, in allen Tonlagen. Weit unter mir höre ich die Pfiffe der Jungs.
Am Bach hole ich sie wieder ein. Nochmal die lustige Bachquerung, und wieder kann Tommi sich nur schwer vom Ufer trennen. OK, wir kommen bald nochmal hierher, versprochen! Und abends bei gerösteten Habichtspilzen beschließen wir: Den Gjaidsteig, den testen wir dann auch mal bei einer unserer nächsten Familienwanderungen .
- Die Hochlandhütte ist stets von Pfingsten bis Kirchweih geöffnet. Sie ist in ca. 2 Stunden als Tagesziel erreichbar oder dient als „Basislager“ für mehrtägige Bergtouren ins Karwendel und Soiern. Übernachtungen bitte bei Birgit und Stefan Müller reservieren.
- Auch andere Hütten in und um die Alpenwelt Karwendel sind bis in den Oktober geöffnet. Öffnungszeiten und Kontaktadressen finden Sie hier im Hütten- und Almenmodul der Alpenwelt Karwendel
- Für Familien mit Kindern empfehlen wir auch eine Wanderung zur Brunnsteinhütte oder zur Auhütte
- Sehr praktisch ist das Tourenmodul der Alpenwelt Karwendel. Hier kann man seine persönliche Tour je nach Dauer, Höhenmeter oder Schwierigkeitsgrad auswählen.