Blog Archiv 2018 - von Andrea Schmölzer
Schokolade kann glücklich machen.
Ganz sicher tut sie das, wenn sie so liebevoll zu Pralinen geformt wird wie bei Florian Holzer vom Café Alpenblick. Schauen wir ihm in Wallgau über die Schulter, wie köstliche Weihnachts-Pralinen entstehen!
Naschkatzen bekommen hier im Café Alpenblick große Augen. Aus der Vitrine am Eingang leuchten glänzende Pralinen in vielen Farben, braun-weiße Schoko-Nikoläuse warten am Tresen, daneben Hänsel und Gretel vor ihrem kleinen Lebkuchen-Hexenhaus. Dahinter steht lächelnd Florian Holzer, mit rehbraunen Augen, kurz getrimmtem dunklen Vollbart und Schirmmütze; Ein Löwen-Tattoo lugt unter dem Ärmel seines Polohemds hervor. Heute Dienstag ist Ruhetag, und ich darf in seine Schokoladenmanufaktur.
Zeit ist heute der wirkliche Luxus
Normalerweise gehört dieser Tag der Familie, genauso wie der Montag. „Wir führen das Café und die Konditorei in dritter Generation. Meine Mutter hat mich als Bub im Sommer sechs Wochen zum Opa geschickt und durchgearbeitet. Ich hatte eine wunderschöne Kindheit, keine Frage. Aber die Zeit hat sich gewandelt. Nicht Geld, sondern Zeit ist heute wirklich Luxus“, meint er ein bisschen nachdenklich. Deshalb möchten seine Frau und er lieber mehr Zeit mit ihren zwei kleinen Töchtern verbringen. Am liebsten geht’s gemeinsam ins Schwimmbad.
Wir schminken!
Ich hoffe, die Mädels verzeihen, dass ich heute mit dem Papa ausnahmsweise arbeite? – Weihnachts-Pralinen wollen wir machen und gehen dazu in die Backstube. Die Temperiermaschine rührt dort schon flüssige Schokolade geschmeidig. Rundherum ist alles, was ein Konditor und Chocolatier so braucht: Stapelweise Formen, Backbleche und Schüsseln in x Größen, jede Menge Spritztüllen, Schneebesen, natürlich auch Rührgerät, Backofen und … feinste Pinsel?!
„Zum Schminken“, erklärt Flori und reibt die Kuhlen der Pralinenform mit Wattebausch und Weingeist ein, damit die süßen Dinger dann mehr glänzen und sich besser aus der Form lösen. Sonst ist schminken gar nicht mein Ding, aber Goldpuder in die Formen zu stäuben, das macht Spaß! „So kriegen wir einen schön weihnachtlichen Glanz“, meint der Autodidakt.
Christine Gerg ist „schuld“
Flori ist ja ursprünglich kein Konditor. Der Wallgauer hat Restaurantfach gelernt, sich dann eingearbeitet, um zunächst mit seinem Bruder und 2013 dann mit seiner Frau Café und Konditorei zu führen. Natürlich stand er schon als kleiner Pimpf in der Backstube der Eltern, beide Konditormeister. Vor sechs Jahren klopfte dann Christine Gerg, Initiatorin des Adventmarkts der Sinne, bei den Holzers an. Sie sollen doch „was Besonderes“ für den Markt beisteuern. So kam die Idee mit den Pralinen. Heute ist Florian Holzer Vorsitzender des Vereins Wallgau Aktiv, der alle zwei Jahre laut Münchner Merkur wohl „einen der schönsten Weihnachtsmärkte im Oberland“ auf die Beine stellt.
Sauber arbeiten!
Mit Airbrush sprüht Florian weiße Kakaobuttersprenkel in die Formen, nochmal trocknen. Dann wird’s spannend: Er füllt die cremige Milchschokolade in die Form. Die wird kurz und heftig durchgerüttelt, um Luftblasen aus der Schoki zu befördern. „Sauber arbeiten!“, mahnt Flori, während er die Schokolade penibel vom Rand wischt. Und dann – huch, wieso das jetzt?! – dreht er die Form plötzlich um, schwenkt sie über Backpapier. Ach so, die überschüssige Schokolade muss raus (und wird später wieder zum Einschmelzen verwendet.)
Während die hohlen Kugeln rasten und abkühlen, machen wir uns an die Füllung, die „Ganache“: Sahne erhitzen, Gewürze dazu, Butter und Kakaobutter schmelzen, die „Callets“ (kleine Schoko-Chips) dazu und mit dem Zauberstab schön cremig rühren. Sie glänzt, wie sie muss, und ich zwacke einen Löffel ab, hmmm. Doch jetzt ab damit in die Spritztülle! – Mit dem Infrarot-Thermometer checkt Florian die Temperatur. 30 Grad, passt!
Vier Jahre bis zur Ladenreife
Nach den Pralinen-Prototypen für den Adventsmarkt verging übrigens noch viel Zeit bis zur Serienreife: „Vier Jahre haben wir herumgetüftelt, bis es die ersten Pralinen bei uns im Laden gab“, erzählt Florian. In das Handwerk des Chocolatier fuchste er sich auch durch Fortbildungen, Besuche in Belgien und unzählige Youtube-Videos hinein. Mit feinen süßen Zutaten kannte der Konditorsohn sich natürlich davor schon gut aus. Obendrein hatte er sich in Deutschlands berühmtester Eisfachschule das Knowhow für kühle Leckereien geholt. Für das Fruchteis, in das nur frische Früchte kommen, und die Spezialität des Hauses, Zwetschgen-Rohrnudeln, kämen die Leute sogar aus Innsbruck oder München nach Wallgau.
Ein Stück täglich
Schließlich füllt Holzer die Butterganache mit der Spritztülle geschickt in die kleinen Pralinenkugeln. Nach dem „Auskristallisieren“ – am besten über Nacht – kommt eine hauchdünne Schokoladenschicht als Boden drauf. Nochmal kurz warten und – ho-hopp! – wendet er die Form. Seidig glänzende Pralinen mit weiß-goldenen Punkten stehen in Reih‘ und Glied vor uns. Ich trau‘ mich kaum eine zu essen, so hübsch sehen sie aus.
Während dann doch eine in meinem Mund zergeht, muss ich noch eines wissen: Wie halten Florian und seine Familie es angesichts der vielen süßen Verführungen selbst so? – „Ein Stück Kuchen oder Eis am Tag muss sein, auch für die Mädels!“ – Die Glücklichen!