Blog Archiv 2017 - von Andrea Schmölzer
Der Maibaum der Mittenwalder Fingerhakler
In Mittenwald und Krün werden alle Hand voll Jahre Maibäume aufgestellt. Wer meint, man braucht dazu nur Kraft, der irrt. Und zwar Gewaltig. Zur Vorbereitung ihres Maibaums fahren die Mittenwalder Fingerhakler zum Beispiel allerhand Fachleute auf. Und es gibt sogar eine Maibaum-Versicherung!
Maibäume haben die Fingerhakler schon viele aufgestellt.
„Neinzehnsiemasiemazg“ – äh 1977, also vor über 45 Jahren – haben sie die Tradition im Geigenbauort übernommen. Alle vier Jahre kümmern sie sich seither um einen neuen. Das ist Teamwork vom Feinsten. Der „Jubiläumsbaum“ von 2017 war 32 Meter hoch und wiegt etwa zwei Tonnen. 128 Jahre alt ist die Fichte laut Holztechniker und Fingerhakler Sepp. Der Baum ist natürlich ein „Einheimischer“: Er stammt vom Roßgraben am Fuße des Kranzbergs bei Klais . Spendiert hat sie der Forstbetrieb Bad Tölz, Revierleiter Wolfgang Pfadler wohnt schließlich in der Alpenwelt Karwendel. Zum Glück ist auch einer der Fingerhakler beim Forst. So haben die jungen Männer selbst den Baum gefällt, geschepst, ins Tal gebracht und fein gehobelt. Jetzt hat er drei Wochen getrocknet. „Da hebt die Farb‘ besser“, erklärt Christian Klotz, 2. Vorstand der Mittenwalder Fingerhakler.
20 Liter weiße und 10 Liter himmelblaue Farbe
„DEN Original-Maibaum-Farbton“ tragen sie auf den 32 Metern auf. Zuerst ist die weiße Schicht dran. Das Malern macht sichtlich Spaß: Drei Seppis, der Michael und der Franz, fünf starke Kerle liegen wechselweise am Boden, führen die kleinen Farbrollen und vor allem lockere Sprüche. Gelacht wird viel. Dazwischen wird ein Bierchen gezischt und erzählt, vom Fingerhakeln, von der Meisterschule, dem Urlaub und von all den Vorbereitungen, die noch bis zum 1. Mai anstehen.
Da wär zum Beispiel der nächste „Streich“: Für die blauen Ringe gibt’s Rat von Johann Hörmann Senior, wie breit man das erste himmelblaue Band aufträgt. 58 Zentimeter sind’s, mit zunehmender Höhe und schwindender Dicke des Stammes werden die blauen Streifen dann immer enger. Die (dicken) Holznägel, an denen die „Schwaibalan“ – die Stangen, mit denen die Burschen den Maibaum in Mittenwald hochstemmen– eingehängt werden, lieferte ein weiterer Fachmann, Thomas Wisian, der sonst feinstes Tonholz für Musiker bearbeitet.
Dann geht’s an die Zunfttafeln, die den Maibaum zieren werden. „Morgen holen wir sie vom Reiser Walter ab“, berichtet Christian. Der erfahrene Bildhauer verlieh den Tafeln, die mit der Zeit ja verwittern, wieder neuen Glanz. Darauf sind unter anderem Maschkera , Flößer, Geigenmacher und Leute bei der Wiesmahd zu sehen. Beim nächsten Aufstellen selbst werden 40 bis 50 Männer mit anpacken, bis der Maibaum bombenfest in der Verankerung steht. (Damit er genau passt, gibt’s ein eigenes Holzmodell vom Bauhof.) Davor wird er mit Pferdekutschen ab Ortsanfang feierlich zum Dekan-Karl-Platz begleitet. „Der Nebel Josef fahrt den Baum, der Zunterer Sepp die Schwaibalan“, erklärt Christian die Logistik.