Blog Archiv 2018 - von Andrea Schmölzer
Ein Eis vom Sternekoch
Andreas Hillejan trägt einen Michelin-Stern. Höchste Zeit, bei ihm im Marktrestaurant Mittenwald vorbeizuschauen und gleich gemeinsam zu kochen. Am besten mit einer duftenden Zutat, die sein Nachbar gerne in der Alpenwelt Karwendel pflückt.
Erstmal zum Schmalensee
Vergnügt wie kleine Jungs sitzen Zwei, die für ihren guten Geschmack bekannt sind, bei mir auf der Rückbank. Andreas Hillejan und Udo Schönthaler wollen mit mir an den Schmalensee, um ein mandelsüß duftendes Kraut zu pflücken.
Während der eine als Sternekoch seine Gäste im Marktrestaurant verwöhnt, zaubert der andere Feinspitz nebenan Kräuter und Wildfrüchte ins Glas. „Bei mir fragen sie immer, ob sie einen Tisch reservieren können“, erzählt Udo. „Und bei mir, wann sein Laden aufsperrt“, amüsiert sich Andreas.
Nicht nur die gute Nachbarschaft am Mittenwalder Dekan-Karl-Platz verbindet die beiden, sondern auch ihr feiner Geschmackssinn. Deshalb probiert jeder gern die Kreationen des anderen. Und deshalb landen Udos „wilde“ Kreationen auch immer wieder als Zutat in Andreas‘ Kochtopf: Fichtenspitzenlikör im Nachtisch, fruchtige Saucen zum Käse, oder – wie heute – Mädesüß-Sirup für ein leckeres Eis.
Kräuterkunde vom Entertainer
„Zuerst knicken und dann abreißen“ empfiehlt Udo und legt die ersten rohweißen Blüten ins Körbchen. Und dann wird der Kräuterkenner zum Entertainer. „Wiesenkaugummi“ nennt er das Mädesüß, weil es angeblich wie der Double Bubble aus den guten alten 1980ern schmeckt.
„Spirea Ulmaria“ zählt zu den vier heiligen Druidenkräutern, die gerne mal im Zaubertrank landen, wird in der Traditionellen Chinesischen Medizin verwendet und enthält auch Salicylsäure. Na, das im Aspirin. – Aha! – Um Kopfschmerzen wegzukriegen, müsste man allerdings schon recht viel von dem Kraut vertilgen.
Der Name Mädesüß kommt vermutlich von der „Mahd“ (gemähte Wiese) oder auch vom Honigwein Met. Von Juli bis Mitte August sieht man die Etagenblüten der hüfthohen Pflanze an Seeufern oder anderen feuchten Wiesen. Hier am Schmalensee mit dem Karwendel im Hintergrund hat sie einen äußerst fotogenen Standort gewählt. Am besten aromatisiert man mit ihr übrigens fetthaltige Flüssigkeiten wie Milch oder Sahne. Genau deshalb wird Andreas den Mädesüß-Sirup aus Udos Manufaktur mit meiner „Hilfe“ zu einem feinen Eis verarbeiten.
Ab in die Küche
Zurück im Marktrestaurant darf ich mit in die Sterne-Küche, denn Montag ist Ruhetag. Alles ist blitzeblank.
Während Andreas mit sicheren Handgriffen Topf, Milch und Sahne bereitstellt und den Induktionsherd anmacht, erzählt er von seinen Anfängen. Dass er selbst aus einem kleinen Dorf am Niederrhein stammt, nicht größer als Mittenwald und dass er vor über zehn Jahren an einem grauen Regentag hier ankam, um das Lokal zu besichtigen. Dass er sich damals die Frage stellte: „Kannst Du Dir vorstellen, hier zu leben?“ Dann fing er einfach an, mit zwei Mitarbeitern, es gab kein Menü. Heute beschäftigt er zehn Leute, gibt diverse Kochkurse im Jahr, sein Restaurant ist weit über Mittenwald hinaus bekannt, und er bekam – eben 2017 – seinen ersten Michelin-Stern.
Schulessen vom „Jeune Restaurateur“
Außerdem kredenzt der Vizepräsident der Jeunes Restaurateurs – einer Vereinigung junger ambitionierter Köche – 150 Schulkindern ihr Mittagessen.
Bereits bei „Kanzlerkochen“ und als Gastkoch in der Karibik hat er viel erlebt und hier seine Heimat gefunden.
Natürlich hieß es für ihn, nach dem Umzug aus der Großstadt ins kleine Mittenwald Abstriche zu machen: An die Mittagspausen der Läden musste er sich zum Beispiel erst gewöhnen. Das sei aber ein Klacks verglichen mit der hohen Lebensqualität hier in den Bergen. „Schon allein die Ruhe, vor allem abends und nachts. Und ich kann meinen Arbeitsplatz täglich neu schaffen“, meint er.
Der Glücklichmacher
Von seiner Kochkunst spricht Andreas wenig. Klar, der Stern sei eine wichtige Anerkennung. Ja natürlich wird er versuchen, ihn zu verteidigen. Aber einen zweiten, nö, den strebe er nicht an. Das hieße dann nämlich, sich vom Ambiente „casual fine“ zu verabschieden. Das Zwei-Sterne-Klientel hätte schließlich eine ganz andere Anspruchshaltung. „Ich würde die vergraulen, die mich groß gemacht haben. Denn meine Gäste suchen gutes Essen und entspannte Atmosphäre.“ Oder wie der Michelin-Tester es formulierte: „ambitioniert regional-saisonale Küche dieses angenehm legeren und geradlinigen Restaurants.“ So möchte Andreas Hillejan auch bleiben. Daher lässt er auch Dauerbrenner wie „Bergbauern-Ravioli“ – mit Rindfleisch, Bergkäse und Zwiebel gefüllt – oder das Wiener Schnitzel auf der Karte.
Die größte Wertschätzung sei übrigens keine Urkunde, sondern direktes Feedback der Gäste: „Da sagt einer ‚Mmmhhh‘, kratzt den Teller aus und ist total zufrieden. Stress hat jeder wie ich, und viel arbeiten muss auch jeder. Aber wer kann schon von sich behaupten, Menschen glücklich zu machen?“
Der gute Draht
… zu seinen Gästen ist für Andreas der Schlüssel zum Erfolg. Die seien ein „guter Mix aus Alt und Jung“. Was die Kommunikation betrifft, sieht er den Trend zum Digitalen und zur Anonymität ziemlich skeptisch. „Das kann nicht die Zukunft sein.“ Deshalb ist er zum Beispiel kein Freund der Allergen-Nummern auf Speiskarten. Es ist ihm lieber, der Gast sagt ganz offen: „Ich vertrag‘ keine Erdnüsse“. Und dann überlegt man sich gemeinsam eine Lösung.
Apropos Trend: Viele würden auch im Marktrestaurant ihre Teller fotografieren. Andreas findet das vor allem dann schwierig, wenn die Smartphones am Tisch liegen: „Wo stell‘ ich dann die Sachen hin?“ – Amüsiert erzählt er auch von seiner Antwort, wenn Gäste nach dem WLAN-Passwort fragen. Sobald er dann „Urlaub“ sage, fragen viele nach Groß- und Kleinschreibung. „Sie verstehen den Witz nicht.“
Balsam für die Seele
Der Sternekoch spricht zwar schnell, aber bei der Arbeit in der Küche lässt er sich erstaunlich viel Zeit. „Kochen hat etwas mit Geduld zu tun“, sagt er und hebt langsam die schaumige, mit Mädesüß-Sirup aromatisierte Eimasse über dem heißen Wasserbad zigmal hin und her.
„Ist ein Nachtisch Pflicht?“, frage ich, als er das fertige Eis anrichtet. „Ja“, meint er sofort. „Essen ist Balsam für die Seele. Und so etwas kleines Frisches oder Fruchtiges gibt so ´ne Leichtigkeit“.
Schließlich probier‘ ich‘ das Eis … und hebe ab.
Rezept für Mädesüß-Eis:
Für circa 1 Liter bzw. 10 bis 12 Kugeln Eis benötigt man:
8 Eigelb
500 g Sahne
500 ml Milch
250 g Mädesüß-Sirup
wenn vorhanden: einige frische Stengel Mädesüß
Sahne und Milch langsam erhitzen, die Blüten als zusätzliches Aroma dazugeben. Inzwischen die Eigelb mit dem Sirup schaumig rühren. Dann die warme Milch-Sahne langsam in das Sirup-Ei-Gemisch einrühren. Im heißem Wasserbad (bei circa 70 °C) umrühren und binden, bis die Masse schön cremig wird.
Dann 15 min. ab damit in die Eismaschine. Wer keine hat, stellt den Pott in den Gefrierschrank und rührt alle 10 min. per Hand mit dem Schneebesen durch. Und wer einen Thermomix hat, kann die Masse einfrieren und mit frischem Joghurt kurz aufschlagen.
Mit dem Eisportionierer Kugeln ausstechen und hübsch auf dem Teller anrichten. – Guten Appetit!
Info zu Andreas uns Udo:
Andreas Hillejan öffnet sein Marktrestaurant täglich außer Sonntag und Montag. Er empfiehlt, einige Tage vorher einen Tisch zu reservieren. https://www.das-marktrestaurant.de/
Hier lesen Sie die vollständige Bewertung des Michelin-Testers:
https://guide.michelin.com/de/de/bayern/mittenwald/restaurant/das-marktrestaurant
Udo Schöntalers liebevollen Feinkostladen "Mary's Marmeladen" finden Sie direkt Tür an Tür zum Marktrestaurant am Karl-Platz 21 in 82481 Mittenwald.
Seine Produkte kann man sogar im Online-Shop bestetellen unter: https://marysmarmeladen.1a-shops.eu/